Sie leben Klezmer seit Generationen

LÖRRACH. Komplett überfüllt war der König-David-Saal in der Synagoge. Die Israelitische Kultusgemeinde hatte zum Konzert mit dem Swing Klezmer Orchestra eingeladen und zahlreiche Besucher waren gekommen, viel zu viele. Hektisch bittet eine Frau darum, noch Bänke zu bringen, denn im Saal ist bereits vor Konzertbeginn jeder Platz besetzt. “Wir bleiben hier stehen, das ist schon in Ordnung”, sagt ein Ehepaar und verweilt im Gang neben der Garderobe. “Achtung bitte”, sagt der junge Mann, der die ersehnte Bank die Treppe hinauf trägt. “Mir ist das zu heiß”, sagt eine Frau mit Kind an der Hand und verlässt den Saal kurz vor Konzertbeginn.

Dann bahnen sich die Musiker ihren Weg durch die Menge, um kurz darauf die ersten Takte auf der Klarinette anklingen zu lassen. Sanft und getragen zunächst, bevor die Musik nur Sekunden später Fahrt aufnimmt und sich zu einem rhythmischen Tanz entwickelt. Musiker und Zuschauer sind von der ersten Minute an präsent. Das Publikum klatscht zum Tanz der Klarinetten mit, aufgrund der beengten Verhältnisse nur verhalten. Heiß und stickig ist es im Saal und Dank der Musik wird es schon bald ungleich heißer.

Das “Jiddish Swing Orchestra”, wie das Swing Klezmer Orchestra ursprünglich heißt, entstand aus einer Klezmer-Dynastie. “Wir sind die einzige praktizierende Klezmer-Dynastie in Europa”, erklärt Igor Ginzburg dem Publikum. Schon die Vorfahren der Familie Ginzburg, Großväter und Urgroßväter, hätten Klezmer-Musik zu Hochzeiten und anderen Anlässen gespielt. Mit den heutigen Familienmitgliedern um Igor und Wlady Ginzburg stünden klassisch ausgebildete Musiker auf der Bühne. “Doch unser Herz schlägt für den Klezmer”, erklärt Igor. Teilweise seien die vorgetragenen Stücke rund 300 Jahre alt, doch für das Ohr klangen sie allesamt vertraut.

“Wir haben die volkstümliche Musik aufgepeppt und mit modernen Elementen vermischt”, erklären die Musiker. Kaum verwunderlich also, dass das Konzert für Fans des Jazz und Swing gut hörbar, aber auch für alle Freunde des Mainstreams eine willkommene Abwechslung darstellt. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Menschen verschiedener Altersgruppen und Interessen an diesem Samstagnachmittag Freude an der Musik haben, in der sich die Musiker als wahre Multiinstrumentalisten bewegen wie die Fische im Wasser.

Eine gute Dreiviertelstunde nach Konzertbeginn steht das Ehepaar immer noch draußen im Flur und lauscht der Musik. Der Mann hat sich inzwischen auf die Treppe gesetzt und wiegt seinen Körper im Rhythmus der Musik. Drinnen im Saal ist es noch heißer geworden, doch Publikum und Musikern ist es einerlei: sie geben sich dem treibenden Rhythmus des Klezmer und den leichten Klängen des Jazz und Swing hin.

Autor: Maja Tolsdorf – Badische Zeitung